Einfach genial – Entenleber-Crostini

Brotscheiben durch Rösten und mit Belag zu veredeln ist in Europa weit verbreitet und reicht (ohne vollständig zu sein wollen ) von Spanien (z.B. malorquinisches Tomatenbrot) über Frankreichs Canapes und die berühmten Crostinis und Bruschettas Italiens bis weit nach Osten, wo man Topinky ißt: Geröstetes Graubrot, mit Knoblauch abgerieben und mit eingelegtem Gemüse, Fleisch, Käse oder Gänseleber belegt. Ihnen allen gemein ist, dass sie gut schmecken und eine nette Zwischenmahlzeit abgeben – oder gute Bar Snacks: Kleine Dinge, die man gern zu einem guten Gläschen ißt. Die Perfektion dieser kleinen Gerichte kommt aus Spanien: Tapas.

Leber ist nicht jedermanns Sache, dabei ist sie gesund: Sie enthält viele wichtige Vitamine und Spurenelemente und Eisen. Ich muss aber selber zugeben, dass sie mir – von wenigen Ausnahmen abgesehen – in purer Form zu streng ist. Ausnahmen sind Kalbsleber, Geflügellebern und jede Form von Foie gras. Am liebsten ist sie mir dabei kalt oder zimmerwarm. An das westfälische Leberwurstbrot habe ich sehr glückliche Kindheitserinnerungen – selbst dass wir die Schweine kannten machte da keinen Unterschied, denn aus der Sicht eines Kindes wird ein Schwein sehr schnell sehr groß und bedrohlich. Als ein kleines Küken sich in den Schweinepirk verirrte und von den Schweinen einfach gefressen wurde, waren wir sogar zornig. Am Ende, wussten wir, würden aber die Schweine selbst gefr… gegessen werden. Und diese Leberwurst aus der Hausschlachtung eines winzigen sauerländer Bauernhofs bleibt unerreicht göttlich.

Die berühmtesten Crostini „al fegato“, also mit Leber sind „crostini alla toscana“ – aus der Toscana (überrascht?). Die Crostini werden dabei mit einer feinen Leberpaste bestrichen. In das Original aus der Toscana gehören neben viel Olivenöl und Butter noch Zwiebeln, Staudensellerie, Karotten, Zitronenschale, Petersilie (eine Anlehnung an die Gremolata der lombardischen Küche im Norden) und Kapern – und, nicht zu vergessen, neben den Hühnerlebern auch deren Milz… . Allerdings ist eine Hühnermilz selbst im Hühnerland Niedersachsen (mehr Hühner als menschliche Einwohner) nicht zu bekommen. Außerdem habe ich in einem wundervollen Kochbuch eine bessere Variante entdeckt – in April Bloomfield’s „A Girl and her Pig“.

April Bloomfield ist Chefköchin und Mitinhaberin des New Yorker „The Spotted Pig“ (Das gefleckte Schwein – allerdings kann man „spotted“ auch mit gesichtet, erkannt, erkundet übersetzen…). Sie kommt aus England, genauer gesagt aus Birmingham, also ziemlich aus der Mitte Großbritanniens. An dieser Stelle muss einmal sehr laut und deutlich  gesagt werden, dass die britische Küche existentiell besser ist, als ihr Ruf auf dem Kontinent, und dass eben solcher Ruf eher üble Nachrede ist, er als der Wirklichkeit gerecht wird. Ja – die Bretonen haben Obelix mit Wildschwein in Pfefferminzsauce und lauwarmer Cervisia (Bier) zum Weinen gebracht – doch (Gott-sei-dank) kann man das nicht generell auf die Küche der Inseln anwenden. Die BBC darf sich übrigens damit schmücken der Erfinder der Kochsendung zu sein. Und ich träume immer noch sehnsüchtig von dem gebackenen Schweinebauch, den ich im Myrtle Bank Hotel, Gairloch, Wester Ross, GB gegessen habe… .,

Doch zurück zu dem wundervollen Buch von 2012, das voll von einfach guten Rezepten und Geschichten ist ( – leider gibt es bislang keine deutsche Übersetzung, Stand 2017). Nach meiner Ansicht ist es in jeder Hinsicht überdurchschnittlich bis perfekt: Rezepte, persönliche Geschichten, Einführung zu den einzelnen Gerichten, liebevolle Gestaltung einschließlich Aquarell-Zeichnungen, Kalligraphie und Cover: beeindruckend! Und ein genial einfaches Rezept für „chopped chicken liver on toast„. Allerdings sehe ich in Rezepten ja eigentlich immer eine Anregung und weiß schon beim Lesen, wie ich es (besser?) gestalten würde. In diesem Fall liebe ich, dass die Leber grob gehackt und zerdrückt und eben nicht zu feiner Paste wird. Doch Barbarie-Entenleber ist besser als Hühnerleber. Hinzu kommt der großzügige Einsatz von Kräutern – wobei ich bessere finde, als Petersilie. In der Toscana löscht man die Lebern mit Vin santo ab. Den mag ich ebenso wenig, wie den Madeira aus Bloomfield’s Rezept. Ich habe ihn durch Niepoort „dry white“ ersetzt. Er ist für meinen Geschmack nicht wirklich trocken und kombiniert fruchtige aber füllige Weißweinaromen mit weichen Nuß- und Mandeltönen. Man kann ihn auch sehr gut zu den Crostinis trinken. Pfeffer und Salz finde ich als Gewürz zu eindimensional – da bringt das toskanische Original mehr mit. Doch möchte ich hier weniger Petersilie und Zitronenschale (Gremolata), sondern lieber Kerbel einsetzen. Kerbel, den die Briten „Franzosenpetersilie“ nennen, ist feiner und ergänzt die Leber mit einem leichten Anisgeschmack. Und hier kommt das französische Fleischgewürz par Excellence subtil zum Einsatz: Zum Schluss wird ganz wenig Quatré-epices zugegeben – und zwar das beste, was man in Europa (oder in der Weilt schlechthin) finden kann: Von Sternekoch Ingo Holland aus dem „Alten Gewürzamt“ (sein „Viergewürz“ enthält – äh – 9 Gewürze…).

 

Zutaten für 2 Personen:
2 Schalotten
1/2 Kochapfel (Boskoop o.Ä.)
2 Knoblauchzehen
1 EL Butter
50 ml Portwein „dry white“ (s.o.)
1 EL Butter
200g Entenleber (keine Stopfleber!)
Salz, Pfeffer
1 Mesp. Quatré epices
50 ml Portwein „dry white“ (s.o.)
1 Bund Kerbel
1/2 Bund Schnittlauch
Geröstete Brotscheiben
Glatte Petersilie in feinsten Streifen
bestes Olivenöl
Chiliflocken

Zubereitung:
Schalotte halbieren und in hauchdünne Scheiben schneiden. Knoblauch sehr fein würfeln. Apfel schälen und sehr fein würfeln. Butter in einer Pfanne bei geringer Temperatur angehen lassen. Zwiebeln zugeben und glasig dünsten – ein wenig Bräunung ist erstrebenswert. Apfel und Knoblauch zugeben und bei sanfter Hitze weich schmoren. Portwein zugeben und einkochen lassen. Aus der Pfanne nehmen und beiseite stellen. Gefäßstränge aus den Lebern herausziehen, ggf. ein spitzes Messer nutzen. Butter in der Pfanne langsam erhitzen, Lebern zugeben und gut salzen. Bei sanfter Hitze schmoren bis die Lebern sich wie kleine pralle Pakete anfühlen. Sie sollen im Innern noch saftig und rosa sein. Schalotten-Apfel-Knoblauch wieder zugeben, pfeffern und mit Quatré  epices (vorsichtig) würzen. Rest des Portweins zugeben, kurz durchschwenken und zu Raumtemperatur abkühlen lassen. Grob hacken und quetschen. Kerbel und Schnittlauch fein wiegen und unter die Lebermasse rühren. Brotscheiben toasten. Lebermasse auf dem Brot verteilen, mit sehr fein geschnittener glatter Petersilie bestreuen und mit Olivenöl und wenig Chiliflocken abschließen. Zügig servieren.

Dazu passt… sehr viel. Fast alles, was man an der Bar bestellen kann, scheint hier zu passen. Ich selber ziehe Niepoorts dry white in jedem Fall vor. Er ist ja schon im Essen… .

 

 

Gepökelte & heißgeräucherte Schweinsbäckchen

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Was tun, wenn man bemerkt, dass die eingeschweißten Schweinebäckchen nur noch 2 Tage haltbar sind – man aber keine Zeit hat sie zu schmoren? Nun ja, man legt sie in Pökellake ein und gewinnt somit etwas mehr als eine Woche Zeit. Das geht auch mit anderen Fleischsorten. Grundsätzlich profitiert weißes Fleisch, das dazu neigt trocken zu werden, von einem Bad in Salzlake – beispielsweise Huhn, Truthahn und Schweinefleisch. Zudem kann man mit einer gewürzten Lake Aromen bis tief in das Fleisch bringen. Das Salz in der Lake verändert die Proteine im Fleisch. Auf der einen Seite entzieht die Salzlösung dem Fleisch Wasser, auf der anderen Seite können die veränderten Proteine mehr Wasser binden: Das Fleisch kommt uns saftiger vor. Und das Salz wirkt als Zartmacher.

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Die konservierende Eigenschaft von Salz ist sicher seit dem Altertum bekannt. Und vermutlich wurde der erste Krieg, von dem die Bibel berichtet (Genesis 14) um Salz geführt. Viele Gegenden verdankten der Salzgewinnung und dem Salzhandel ihren Wohlstand. So war auch der legendäre Reichtum der Stadt und Insel Rungholt in der Salzgewinnung aus Salztorf begründet. Dass der Mensch durch gierigen Abbau natürlicher Ressourcen sein eigenes Grab schaufelt, kann man am Beispiel Rungholts gut sehen: Die große Sturmflut vom 15. und 16. Januar 1362 ließ die Insel für immer in der eiskalten Nordsee verschwinden; etwa 1000 Menschen ertranken. Aber Salz war halt kostbar und im Mittelalter unverzichtbar zur Konservierung von Fleisch und Fisch. Und eingesalzenes Schweinefleisch lieferte eine wichtige Grundlage für die Seereisen der europäischen Entdecker seit dem 15. Jahrhundert. Ein Relikt aus dieser Zeit (und der portugiesischen Herrschaft in Goa) ist übrigens das originale Vindalho Curry. Der Name kommt vom mit Weinessig, Salz und Knoblauch haltbar gemachten Schweinefleisch „em vinha de alhos“.

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Wer gern kocht, sollte das Pökeln bzw. Einlegen von Fleisch in Lake beherrschen. Es ist eine einfache Technik. Pökeln in Lage ist dabei schneller, als trocken zu salzen. Es gibt dabei nicht viele Regeln, die zu beachten sind: Man benötigt minestens die 1,5-fache Menge Salzlake bezogen auf das Fleischgewicht. Für Fleisch, das nach dem Pökeln gekocht werden soll, verwende ich eine 5%ige Salz und 2,5%ige Zuckerlösung (am liebsten Rohrzucker). Fleisch, dass nach dem Einlegen gebraten, gebacken oder heißgeräuchert werden soll, benötigt weniger Salz; 2-3% in der Lake sollten ausreichen. Die Lake wird immer mit den Würzzutaten gekocht, damit diese nicht anfangen zu Gären. Die Lake muss aber immer erkaltet sein, wenn das Fleisch hinein kommt. Wenn ich wenig Zeit habe, koche ich Salz, Zucker und Würzzutaten in nur einem 1/4 der Flüssigkeit und gebe die restlichen 3/4 als kaltes Wasser mit Eiswürfen hinzu. Um eine rote Farbe und den klassischen Pökelgeschmack zu erzielen verwende ich Nitrit-Pökelsalz, bei Huhn oder Pute normales Meersalz. Statt Zucker kann man auch Dextrose oder Ahornsirup verwenden um den Geschmack zu variieren.

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Zutaten für die Pökellake:
1,5 L Wasser
75g Nitritpökelsalz (0,4% Nitrit)
38g Rohrzucker
1 EL Senfkörner
2 Lorbeerblätter
1 Nelke
1 TL schwarzer Pfeffer, grob zerstoßen
1 TL Pimentkörner, grob zerstoßen
2 Zwiebeln in dünnen Scheiben
2 Knoblauchzehen

Zubereitung:
Alle Zutaten erhitzen, bis sich Salz und Zucker gelöst habe und etwa 2 Minuten sprudelnd kochen lassen. In eine nicht-reaktive (z.B. Plastik) Schüssel füllen. Erkalten lassen.

Zutaten für die gepökelten Bäckchen:
1 kg Schweinebäckchen, geputzt
1 Bund Supengemüse
1 Zwiebel
2 Knoblauchzehen
Wasser

Zubereitung:
Die Bäckchen für etwa eine Woche in der Lake im Kühlschrank pökeln. Herausnehmen, abtrocknen, Gewürzreste ggf. entfernen. Lake entsorgen. Wasser mit Suppengemüse, Zwiebel und Knoblauch 10 Minuten kochen lassen, dann die Bäckchen hinzugeben und die Hitze reduzieren. Unter dem Siedepunkt ca. 60-90 Minuten gar ziehen lassen.

Die Bäckchen kurz trocknen lassen und dann räuchern. Ich habe dazu einen alten Schnellkochtopf genommen – aber besonders dicht war er nicht. Daher habe ich nach kurzer Zeit auf dem Balkon weiter geräuchert. Apfelholz gibt ein schönes Aroma. Ich habe die Bäckchen etwa eine Stunde im Rauch gelassen.

Dazu passt gedünsteter Weißkohl mit Kümmel und Äpfeln, Semmelknödel und ein Oktoberfestbier…

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Jeden Pfifferling wert: Blanquette de Veau

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Ab Juni erscheinen die dotterfarbenen beliebten Speisepilze mit dem unverwechselbaren Aroma in der Natur und auf den Märkten. Obwohl ihre Verbreitung praktisch rund um den Globus ist (einschließlich Mexico, Indien und Afrika), ist der Pfifferling in Deutschland und Österreich bedroht. Daher stammen die meisten Exemplare auch nicht von hier, sondern aus der Ukraine, Weißrussland, Russland und aus dem Baltikum. Seit dem 16. Jahrhundert hielten sie mit der französischen Hochküche Einzug in die fürstlichen Küchen Europas – und in vielen Sprachen werden sie mit dem französischem „Chanterelle“ oder „Girolle“ noch immer bezeichnet. Im Gegensatz zu anderen Speisepilzen sind sie von eher fester Konsistenz. Die Geschmacksstoffe sind sehr gut fettlöslich, weshalb Butter und Sahne perfekte Begleiter des Pfifferlings sind. Für mich sind sie zudem eine typische Kindheitserinnerung an die Sommerferien, die oftmals im südlichen Österreich (Kärnten, Steiermark) verlebt wurden. Dort nennt man den Pfifferling „Schwammerl“, oder passend zu Farbe „Eierschwammerl“. Serviert in einer reichen Sahnesauce mit einem Semmelknödel war er in den Ferien ein Muß.

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Der Pfifferling eignet sich aber auch ganz ausgezeichnet als Ragoutpilz. Und da man seinen wundervollen Geschmack nicht übertünchen, sondern allenfalls unterstützen möchte, bieten sich ein Hühner- oder Kalbfleischragout an. Die Definition von Ragout ist denkbar einfach: Fleisch und ggf, Gemüse, das langsam gekocht oder geschmort wird. Das britische Stew gehört ebenso dazu, wie das deutsche Ragout fin, oder das italienische Ragú Bolgnese. Übersetzen kann man es am ehesten mit „Würzfleisch“. Mit dem Frikassee (zu Deutsch „Sammelsurium“) gibt es Überschneidungen. Da kann man mit den Begrifflichkeiten durchaus mal durcheinander geraten. Das Frikassee kommt zumeist mit einer weißen Sauce daher – das Ragout gibt es verschiedenen Farben. Eindeutig ist die Blanquette. Da steckt die Farbe (blanc = weiß) schon im Namen. Zudem beschreibt „en blanquette“ die Herstellung eines Gerichtes ohne anbraten oder bräunen. Im Regelfall wird das Fleisch in Brühe gekocht (bitte immer nur leicht simmern lassen) und mit heller Roux (Bechamelgrundlage) oder Mehlbutter, Sahne/Creme fraîche und Eigelb gebunden. Das komplexe Ragout fin ist damit auch eine Blanquette. Das Original (mit Bries, Zunge, Mark und Flußkkrebsen – ohne Hirn) steht noch auf meiner to-do Liste.

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Die Blanquette de veau ist in Frankreich ein verbreitetes Gericht, das man in vielen Haushalten finden kann. Natürlich kann man auch dieses Gericht durch industrielle Abkürzungen deutlich in der Qualität abmindern – aber gekocht, wie von der burgundischen Großmutter, ist es eine wundervolle Sache. Besonders, wenn man ebenso viele Pfifferlinge, wie Kalbfleisch verwendet. Ein wenig müssen wir uns dann doch vom Rezept der Großmutter lösen, denn zu deren Zeit nahm man grobfaseriges und durchwachsenes Fleisch, was preisgünstiger war (- billig war Kalbfleisch nie). Da die Sahne, Butter und Eigelbe ausreichend Stand in das Gericht bringen, bevorzuge ich das magere falsche Filet (faux filet). Die Österreicher nennen es (besser verständlich?) Schulterscherzel. („Das Schulterscherzel ist ein besonders saftiger, kurzfaseriger Fleischteil mit markanter Sehne in der Fleischmitte. Es liegt unterhalb des Schulterblattes und eignet sich am besten zum Sieden, Braten und Dünsten.“)  Ein Stück von um die 800g reicht für 4-6 Personen. Man kann das Fleisch sehr gut vorbereiten (bis zu 3 Tage vorher) und auch im Sud einfrieren (bei -20°C bis zu 6 Monate). Einfrieren ändert durch die Bildung von mikroskopischen Eiskristallen aber immer ein wenig die Konsistenz (das Fleisch wird „weicher“).

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Die Zubereitung ist puristisch und einfach – und alles andere als hastig. Am Besten plant man einen ganzen Tag zur Vorbereitung ein. Das falsche Filet wird sauber getrimmt und von allen Resten der umgebenden Häute und Sehnen befreit. Das Fett in der Mitte wird belassen. Es ist wichtig, dass das Fleisch Zeit hat Raumtemperatur anzunehmen. Für dieses Gericht wird es (wie auch Tafelspitz) grundsätzlich kalt in einer gesalzenen Brühe aufgesetzt. Das Fleisch sollte die Zeit haben in der Brühe zu erkalten. Bitte vergessen Sie Brühewürfel, -pulver oder andere industrielle Würzmittel. Am besten wird dem Gericht ein selbst gekochter Kalbsfond aus Kalbsknochen gerecht. Es gibt etliche Artikel in der gedruckten Presse und im Internet, die belegen, dass fertig gekaufte Fonds das Geld nicht wert sind oder so teuer, dass sich das Selbermachen wirklich lohnt. Mit einem Dampfdrucktopf ist das auch keine Hexerei. Der Grana Padamo wird für das Umamo des Gerichtes und als Geschmacksverstärker und Salzersatz benötigt. Der letzte Schritt beim Kochen ist der schwierigste, weil man Geduld braucht. Hat man sie nicht, gerinnt das Eigelb und man hat eine Sauce, die nach Rührei schmeckt. Am besten passen dazu frische Eiernudeln. Ich bevorzuge Fettuccine – aber auch jede andere Breite von Bandnudel geht.

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Zutaten für die Fleischgrundlage (ca. 4-6 Personen):
ca. 750-850 g falsches Filet vom Kalb
400 ml Kalbsfond – bevorzugt selbst gekocht
100 ml Weißwein (s.u.)
1-2 gstr. TL Salz
1 große Karotte, geschält, halbiert
1 große Zwiebel, Schalen entfernt, geviertelt
1 Lorbeerblatt
1 Nelke
1/2 TL schwarze Pfefferkörner
1 TL Pimentbeeren
1 TL Macis (ganz) oder 1/2 TL Macispulver
1 Zweig frischer Thymian
2 ganze Knoblauchzehen

Zubereitung des Fleischgrundlage:
Das Fleisch wird sauber geputzt und von allen Häuten und Sehnen befreit und in Würfel von 2 cm Kantenlänge geschnitten. Das Fleisch Raumtemperatur annehmen lassen. Das Fleisch und alle weiteren Zutaten in einen Topf/Kasserolle geben und kalt aufsetzten. Langsam zum Sieden bringen – nicht sprudelnd kochen lassen! Unterhalb des Kochpunktes ca. 90 Minuten gar sieden lassen. Das Fleisch muss sich mit einer Gabel butterzart durchstechen lassen. Das Fleisch aus dem Fond nehmen. Den Fond durchseihen und das Fleisch damit bedecken. Kalt stellen – am Besten über Nacht.

Zutaten pro Portion Blanquette:
1 Tasse Fleischgrundlage mit Fond – ca. 200-250 ml
100 ml Schlagsahne
1-2 Eigelb
1 TL Mehlbutter (Verhältnis 1:1)
1 EL frisch geriebener Parmesan (Grana Padamo)
1 Tasse geputzte, rohe Pfifferlinge
1 EL frisch geschnittener Schnittlauch
150g frische Eiernudeln (Linguini, Fettuccine, Tagliatelle, Pappadelle – Breite nach Geschmack…)

Zubereitung der Blanquette:
Fleischgrundlage mit Fond erwärmen. Pfifferlinge zugeben und kurz gar ziehen lassen. Die Sauce mit eiskalter Mehlbutter binden. Vom Herd nehmen und abkühlen lassen. In der Zwischenzeit die Eiernudeln garen und warm stellen. In einem Behälter (z.B. einem Schraubglas) Eigelb, Sahne und Parmesan gut verquirlen und kalt zum Fleisch geben und unterrühren. Wieder auf den Herd setzen und bei behutsamer Hitze unter ständigem Rühren mit einem Silikonspatel so lange erwärmen, bis das Eigelb die Sauce bindet. Vom Herd nehmen und weiter rühren. Vorsicht: Die Sauce gart im heißen Topf nach. Das bedeutet den Topf vom Herd zu nehmen, wenn die Sauce gerade erst andickt. Durch das Nachgaren im heißen Topf wird sie noch dickflüssiger. Mit den Nudeln anrichten und mit Schnittlauch und ggf. Thymian garnieren.

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Dazu passt am besten der Wein, den man in das Ragout gegossen hat. Hier bieten sich einige gute Kombinaten von Wein und Pfifferling. In meinem Fall war es die wundervolle Kombination mit einem rosa Cremant d’Alsace aus Pinot noir, aber auch ein Alsace tokay pinot gris ist nicht zu verachten – ein trockener Muscat s’Alsace ist eine Versuchung, weil sein Aprikosenaroma so gut mit dem der frischen Pfifferlinge harmoniert. Eine geniale – wenn auch kostspielige – Kombination ist mit einem Smaragd aus Österreich, bevorzugt einem gelben Muskateller oder einem grünen Veltliner. Die Grandesse des Gerichts verlangt dabei nach der höchsten Qualitätsstufe des Weines (Smaragd – benannt nach einer Eidechse…).

Einfach klasse – Steak tartare handgeschnitten

 

tatar03Schon sehr früh in diesem Blog habe ich über Kalbstatar geschrieben, daher brauche ich hier Grundlegendes nicht zu wiederholen. An dieser Stelle soll es um das klassische Beefsteak Tatar gehen. In der Schweiz und in Frankreich genießt das Beefsteak à la Tartare kulinarische Zuneigung und ist mit (gleichnamiger) Sauce Tartare oder mit einer Sauce Bernaise serviert eine Köstlichkeit. Dagegen war mir die klassisch-deutsche Variante immer suspekt. Das Kochbuch meiner Großmutter aus dem Jahr 1964 listet als Zutaten neben dem Rindfleisch noch Zwiebel, Sardelle, Eigelb und Gurken auf. Auch mein Davidis Kochbuch aus dem Jahr 1911 gibt zum Hackfleisch „ein Eigelb in einem Zwiebelring“, sowie Sardellen, Kapern, Maggi und Mixedpickles und serviert es mit Essig und Öl. Dosenmilch als Ersatz für das Eigelb ist mir dabei in der Vergangenheit bekannt geworden. Die deutsche Wikipedia-Seite listet zusätzlich noch Tabasco und/oder Worcestershiresauce und Weinbrand auf. Wenn ich so auf die Zusammenstellung blicke, wird mir bewusst, dass wir Deutschen schließlich auch noch so etwas, wie Labskaus erfunden haben…

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Beim Tatar möchte ich gern einen frischen Rindfleischgeschmack, so wie bei einem blutigen Steak oder besser einem Carpaccio. Die Sardellen lasse ich weg – oder ersetzte sie, wie beim Kalbstatar, durch Kavier z.B. vom Saibling mit einer schönen gelben Farbe. Die Kapern sind mir hier auch zu dominant, obwohl ich sie gern esse. Das Eigelb ist eine wundervolle Ergänzung zum Rindfleisch. Und all das sauer eingelegte Gemüse ist überflüssig – ebenso wie die verschiedenen Würzen (insbesondere Maggi). Ein wenig Essig und Öl unterstützen den Geschmack. Und wenn man groben Senf (in diesem Fall bevorzuge ich die ausgesprochene Körnigkeit von Maille à l’Ancienne) verwendet und das Fleisch schneidet anstelle es durch den Wolf zu drehen, kommt etwas Köstliches dabei heraus.

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Schneiden Sie das Steak Tartare! Verwenden Sie nur magere Stücke, die auch ein englisches Steak ergeben könnten und achten Sie darauf, dass diese zum Rohverzehr geeignet sind. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Messer so scharf ist, wie eine Rasierklinge. Das Schneiden ergibt einen völlig anderen Biß, als die Paste, die aus dem Fleischwolf kommt. Wer es beherrscht, kann dem Fleisch mit zwei Chef-Messern zu Leibe rücken. Ich beherrsche diese Technik allerdings nicht. Zu vermeiden sind zu große Brocken, denn die Stören die Harmonie. So ende ich mit einem Zitat des Schriftstellers Carl Zuckmayer:

„Beefsteak tatare ist fast so stark an Gnade wie ein am Grill gebratnes Lendenstück…“

 

Zutaten pro Person:
100-120g bestes Rindfleisch (geeignet zum Rohverzehr, z.B. Filet, Roastbeef, Hüfte)
1 TL grober Senf
Salz, Pfeffer
1 Eigelb (zum Rohverzehr geeignet)
2 TL guter Wein (den man dazu trinkt)
2 TL sehr fein geschnittener Schnittlauch
1 Frühlingszwiebel in feinsten Scheiben

optional:
2 TL Saiblingskaviar
Weinessig und Walnußöl
Rucola

Zubreitung:
Das Fleisch erst in dünne Scheiben schneiden, dann mit einem sehr scharfen Messer über Kreuz versetzt bis zur gewünschten Konsistenz hacken (mehr schneiden). Salzen und Pfeffern, Eigelb, Senf, Wein und Schnittlauch untermischen und etwa 10 Minuten kalt stellen. Dann anrichten.

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