Charente Maritime mit dem Rad: 1. Teil

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Es ist wohl etwa 15 Jahre her, dass ich zuletzt im Urlaub (in den Semesterferien, um genau zu sein) meine geliebte, französische Atlantikküste besucht habe. Und dieses Jahr war der Wunsch dorthin zurück zu kehren besonders groß – vor allem nach der beruflichen Belastung, die mich nun ein halbes Jahr auch den Blog nicht weiter führen ließ. Ein Blogartikel nötigt mir ein paar Stunden Arbeit ab. Der Text möchte formuliert und korrigiert werden. Die Bilder müssen aufgearbeitet werden – manchmal noch gemacht werden. Und die Übersetzung für den englischen Blog kostet auch viel Zeit – weshalb ich das weit hintenan gestellt habe. Wenn ich nicht sorgfältig bloggen kann, dann lasse ich es auch. Der Sommerurlaub war verdient und der Besuch der französischen Atlantikküste längst überfällig. Und es sollte „low budget“ werden, wie im Studium: Mit Fahrrad und Zelt. Sozusagen zurück zu den Wurzeln.

Ein Fahrrad mit der Bahn nach La Rochelle zu bekommen ist nicht leicht. Das Radwander Wiki hat mir da sehr geholfen. Im Prinzip gibt es nur zwei Möglichkeiten: Auseinandernehmen des Rades auf ein Packmaß von 90 x 120 cm und Transport in einer Verpackung (ein Bettbezug tut es auch) – oder City Night Line bis Paris und dann Radreservierung im TGV. Ersteres nur über das Reisezentrum der DB buchbar (nicht online) und letzteres telefonisch über die SCNF Hotline. Die Behauptung, wenn man die „2“ drücke würde man auf Deutsch bedient ist eine freundliche Übertreibung. Die nette Dame am anderen Ende der Leitung war zunächst erschreckt – sprach aber doch besser Deutsch, als ich Französisch – und wir haben es bilingual gut hinbekommen. Wichtiger Tip hier: Wenn man sich das Ticket als Elektronisches zusenden lässt: unbedingt die e-mail Adresse buchstabieren und rückbuchstabieren lassen! Weiterer Tip: Im Reisezentrum ließ sich der Fahrradplatz nur mit einem Platz im sechser-Abteil, also ganz ohne Komfort buchen. Daher erst ein vierer Schlafwagenplatz buchen und dann eine Radreservierung. Werde ich auf jeden Fall nach den Erfahrungen in dem uralten Abteil beim nächsten Mal machen. Dazu bin ich fast schon zu alt, denn richtig schlafen kann man da nicht – und der erste Tag des Urlaubs geht flöten. Die Mitnahme in den Regionalzügen (Intercitie und TER) innerhalb Frankreichs ist unkompliziert.IMG_2114

Paris hat Sackbahnhöfe, was das Umsteigen erschwert, weil man auch noch den Bahnhof wechseln muss. Man sollte ausreichend Zeit zum Umsteigen einplanen. Meiner Meinung nach mindestens 3 Stunden, da die Züge aus Deutschland oft auch eine deutliche Verspätung beim Eintreffen in Paris haben (im aktuellen Fall 80 Minuten). Wem es auf dem Weg vom Gare de l’Est nach Montparnasse langweilig werden sollte: Wir haben eine sehr schöne Pause am Louvre gemacht… . Folgt man den Radwegen innerhalb von Paris erreicht man den nächsten Bahnhof innerhalb von 30 bis 45 Minuten (ausser man verfährt sich…). Häufig dürfen die Radfahrer die Busspur mitbenutzen. Dies dürfen ab dem Nachmittag aber auch die pariser Taxifahrer. Das kann manchmal vom Radfahrer ein nicht unerhebliches Quantum Mut erfordern – insbesondere, wenn seine Satteltaschen gerade von einem Taxi gestreift wurden… .

Das Radwegenetz in Frankreich ist in den letzten 15 Jahres deutlich verbessert und ausgebaut worden. Musste ich beim letzten Mal noch auf Nebenstraßen fahren, gab es nun neue Radwege – meist entlang der Bahngleise – von La Rochelle nach Süden. Eine Übersicht über die französischen Radwege findet man unter voie vertes. Die meisten sind Schotterwege, aber es gibt auch viele asphaltierte Radwege. In manchen Fällen wird der Straßenrand benutz – manchmal die Straße selbst zum Radweg deklariert. Trotzdem: Es macht unglaublich viel Spaß!IMG_2123

Und gerade die Vendée, die Charente Maritime und Aquitanien haben für Radfahrer so viel Schönes zu bieten (ausser den guten Radwegen). Die Küste von Les Sables d’Olonne bis nach La Rochelle läd zum Baden ein. Die beiden Inseln vor der Küste sind wunderschön und über Brücken mit dem Festland verbunden. Die Ile de Re im Norden ist die etwas mondänere Schwester der Ile d’Oleron im Süden. Beide Inseln aber liebenswert und Bodenständig. Der französische Charakterdarsteller Michel Piccoli (habemus papam) besitzt auf der Ile de Re ein Haus. La Rochelle – den meisten vielleicht am ehesten aus „Das Boot“ bekannt – ist eine bezaubernde Stadt, die ihre Geschiche bewahrt hat und deren alter Hafen immer noch von den zwei Türmen aus dem Mittelalter bewacht wird. Sehenswert auf jeden Fall ist auch die Kathedrale. Gegen die Bedrohung durch die Engländer ließen Napoleon und seine Vorgänger auf den Inseln und dem Festland viele Festungen errichten, auch die unspektakuläre Garnisionsstadt Rochefort. Zum Radwandern ist die Region sehr gut geeignet. Zu den Inseln und über die beiden bedeutenden Flüsse der Gegend – Charente und Seudre – führen Brücken, die dem trainierten Radfahrer Spaß machen – dem untrainierten sicherlich Muskelkater… . Der Weg läßt sich gut über die Pinienwälder nördlich von La Palmyre bis zur mondänen Stadt Royan fortsetzten. Royan selber finde ich nicht reizvoll, wohl aber das der Saintogne zugehörige Hinterland. Hier findet sich ein Schatz an romanischen Kirchen mit den typischen Verzierungen der Poitou-Romanik aus dem 10. bis 12. Jahrhundert. Besonders hervorheben möchte ich Ort und Basilika von Talmont St. Hiliaire an der Gironde. Von Royan läßt sich bequem die Fähre über die Gironde nach Aquitanien nehmen, wo einen eine unendliche Düne an der Küste, weite Pinienwälder mit Radwegen und Seen erwarten – und auf der Innenseite der Gironde die berühmten Chateaus und Lagen des Medoc und Haut Medoc.

IMG_2189Selbst für den Radfahrer mit Zelt bietet die Region eine Vielzahl kulinarischer Genüsse. Die Gemüse der Vendée und auch ihr Wein, den ich im Sommer schätze (Fiefs Vendéens), Charentais Melonen, Käsekuchen, Milchprodukte, Butter aus Echire, Fisch und Meeresfrüchte, Schinken (auch zu Grillen), Käse (sowieso), Moules Mariniers, Moules frittes (geniale Erfindung von Miesmuscheln mit Pommes), Austern aus der Region Marennes-Oleron, Garnelen (die nicht aus Aquakulturen in Vietnam stammen…), Wein – und nicht zuletzt Cognac – sind nur ein oberflächlicher Hauch dessen, was man in den lokalen Markthallen findet.

Es war ein sehr entspannender Urlaub.